Matthias Paustian: "Die Nationalpolitische Erziehungsanstalt Plön 1933-1945"


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6. Schulpraxis an derNationalpolitischen Erziehungsanstalt Plön

6.1. Unterricht

Die geistige Ausbildung im Unterricht an der NPEA Plön war der körperlichen stark untergeordnet. Dies zeigte sich daran, daß jährlich mehrere Wochen des Unterrichts zugunsten von Manövern und Geländeübungen ausfielen. [222] Im Krieg wurden die Jungmannen häufig als Ernte- oder Marinehelfer eingesetzt; eine Gruppe von Schülern war sogar zum Hilfsdienst nach Paris geschickt worden, so daß auch hier wochenlang nicht unterrichtet werden konnte. [223] Zusätzlich waren die Schüler am Nachmittag zeitlich und körperlich so stark belastet, daß sie die Hausaufgaben nur schwerlich bewältigen konnten. Die zweistündige Arbeitsstunde reichte dafür oft nicht aus, so daß sich einige Jungmannen beschwerten. Ein Anstaltsbefehl aus dem Jahre 1933 wertete diese Klagen als Ausrede und gab an, der Klassenlehrer solle sich in diesem Falle mit dem zuständigen Erzieher in Verbindung setzen. [224] Auf das gleiche Problem antwortete später ein anderer Jungmann: "Uns wird oft der Vorwurf gemacht, daß wir die Arbeitsstunde nicht ausnutzen. Ich glaube, der Vorwurf ist nicht immer berechtigt [...] Oft sind die Schularbeiten auch wirklich nicht zu bewältigen. Will man die Arbeiten wirklich gut machen, so braucht man längere Zeit, es genügte schon eine längere Arbeitsstunde in der


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Woche; der Studientag war damals eine gute Einrichtung." [225]

Es ist schwer abzuschätzen, wie hoch der geistige Bildungsstand der Plöner Napola-Schüler tatsächlich war. Einige ehemalige Schüler und Erzieher sprechen sogar von einem überdurchschnittlichen Niveau. Hierbei ist zu bedenken, daß die NPEA kaum schlechte Schüler bei sich duldete. Nur in Ausnahmen konnte ein Jungmann an der Plöner Napola sitzenbleiben. Die verbleibenden "begabten Ausleseschüler" konnten unter den erschwerten Bedingungen schulisch sicherlich leichter zurechtkommen. In den Wintermonaten trat für die Jungmannen die theoretische Ausbildung stärker in den Vordergrund - in dieser Jahreszeit konnten sie sich ohnehin körperlich weniger betätigen. Auch im Winter mußten die schwächsten Schüler die NPEA verlassen: "Einige hatten das Arbeitstempo nicht durchhalten können und verließen die Anstalt." [226]

Bestand die Schule zur Zeit der Stabila noch aus einem Realgymnasium und Gymnasium mit gemeinsamem Unterbau, wurde sie bis 1937 so umgewandelt, daß sie sich mit einigen Ausnahmen nach dem Lehrplan der Deutschen Oberschule richtete. [227] Im Gegensatz zur normalen Deutschen Oberschule wurde der Religionsunterricht stärker zurückgedrängt, worauf später noch näher eingegangen wird. Weiterhin gab es Bestrebungen, Wehrwissenschaft an den NPEA als Unterrichtsfach einzuführen, wodurch "die Hinführung der deutschen Jugend zum Glauben an den sittlichen Wert des Krieges [...] und die seelische Bereitschaft zum Opfer von Glut und Blut für die politische Freiheit" erreicht werden sollte. [228] Das Fach sollte besonders die Bedeutung von Wirtschaft, Technik und Verkehr im modernen Krieg erläutern. Außer in der zitierten Zeitungsnotiz fand das Fach aber nicht mehr Erwähnung, so daß es wahrscheinlich nie eingeführt worden ist. Vergleicht man den Stundenplan der NPEA Plön von 1937 mit dem der Staatlichen Bildungsanstalt von 1931/32, so ergibt sich die in nachstehender Tabelle dargestellte Schwerpunktverlagerung [229] (miteinander verglichen sind jeweils die in allen Klassen im betreffenden Halbjahr erteilten Unterrichtsstunden eines Faches oder Fachgebietes):

An der NPEA Plön wurden also die Unterrichtsstunden der Fremdsprachen zugunsten der "nationalpolitischen" Fächer Deutsch, Geschichte, Erdkunde und der Nationalpolitischen Arbeitsgemeinschaft gekürzt, denn diese Fächer
 
 
Verlust gegenüber 1931
Gewinn gegenüber 1931
Fremdsprachen 23  Deutsch 4 
Geschichte 2 
Erdkunde 3 
(nicht angeboten)  Nationalpolitische AG (insges.) 14 
Religion 10 
Mathematik 7  Naturwissenschaften 7 
Leibesübungen 4 
(nicht angeboten)  Wehrsport 64 
 


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waren besonders geeignet, die nationalsozialistische Ideologie zu vermitteln. Der Religionsunterricht wurde entsprechend der antichristlichen Haltung des Nationalsozialismus drastisch verringert. Die Stunden der Leibesübungen und des nachmittäglichen Wehrsports hingegen wurden - letztlich zur Vorbereitung auf den Krieg - erhöht bzw. völlig neu eingeführt.

Im Gegensatz zu vielen anderen NPEA wurde in Plön kein eigenes Unterrichtsfach Nationalpolitik eingeführt. Das Fach Geschichte war nach Aussage eines Schülers lediglich durch die Fachrichtung Nationalpolitik ergänzt worden, [230] zusätzlich konnten die Schüler nachmittags eine Nationalpolitische Arbeitsgemeinschaft belegen. Allerdings wurde Nationalpolitik bei der Reifeprüfung neben Biologie wieder als Pflichtfach gefordert. Anstatt ein gesondertes Fach Nationalpolitik einzuführen, erarbeiteten die Hundertschaftsführer Meng und Lübbert 1933 einen völlig neuen Lehr- und Stundenplan, der den gesamten Unterricht nationalsozialistisch ausrichtete. Wie aus dem Vergleich mit dem Stundenplan von 1931 hervorgeht, wurden Deutsch, Geschichte, Erdkunde und auch Biologie in den Mittelpunkt des Unterrichts gestellt und die Stundenzahl dieser Fächer erhöht. Der Ansatz, die "scharfe Trennung zwischen den Fächern" fallenzulassen, erinnert an heutige Erwägungen des fächerübergreifenden Unterrichts: "Wir wollen nicht in sinnloser Folge Mathematik, Griechisch, Physik, Geschichte, Chemie usw. den Jungen vorsetzen, sondern eine sinnvolle Gliederung." [231] Diese Problematik versuchte man an der NPEA jedoch dadurch zu lösen, daß alle Fächer die Weltanschauung des Nationalsozialismus gemeinsam vermitteln sollten. Nach einigen Jahren mußten diese neuen Unterrichtspläne allerdings eingestellt werden, weil die Erzieher insbesondere durch die Einberufung zur Wehrmacht zu oft wechselten. [232]

Der Lehrer- und Erzieherwechsel behinderte den Unterricht so stark, daß zeitweise für jeden Monat ein neuer Stundenplan nötig wurde. [233] Schon im Jahr 1939 mußte der Unterricht völlig umgestaltet werden, so daß er offensichtlich in manchen Fächern kurzzeitig ausfiel. Die Schüler sollten in besonderen Arbeitsstunden die gestellten Aufgaben dieser Fächer erledigen. Zeitweise wurde am Vormittag nur fünf Stunden und am Sonnabend gar keine Stunde unterrichtet. Musik verschwand vorübergehend völlig aus dem Lehrplan. In Chemie und Sport leiteten sogar ältere Schüler selbst den Unterricht. [234]

Die NPEA Plön war auf eine Richtzahl von 264 Schülern in elf Zügen zu je 24 Jungmannen ausgerichtet. Ihre Klassen hingegen waren nach Scholtz nicht immer mit den Zügen identisch, denn für die neun Klassen war eine Stärke von 36 Schülern für die Unter-, 32 für die Mittel- und 20 für die Oberstufe angegeben. Es müßte mit Hilfe ehemaliger Schüler leicht zu überprüfen sein, ob Züge und Klassen tatsächlich nicht identisch waren. Die elf Erzieher waren gleichzeitig auch Lehrer, mußten allerdings nur die Hälfte der vollen Stundenzahl unterrichten. [235]

Obwohl die NPEA an den Lehrplan der deutschen Oberschule gebunden waren, existierte für das Fach Deutsch ein eigener undatierter Stoffverteilungsplan der NPEA Plön und der NPEA Stuhm, der zwischen 1937 und 1939 herausgekommen sein muß. Er läßt


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darauf schließen, daß sich die NPEA in den Belangen des Unterrichts nicht immer nach den staatlichen Lehrplänen richteten, sondern sich einige Freiheiten herausnahmen. Nach diesem Stoffverteilungsplan sei das Fach Deutsch "am unmittelbarsten Weltanschauungsunterricht" und solle die "rassischen Grundkräfte des deutschen Menschen" wecken. Inhaltlich werden die "deutschen Lebensäußerungen, in denen die rassische Anlage, die Lebensauffassung und die Weltschau des deutschen Menschen in besonderer Deutlichkeit sichtbar werden", hervorgehoben. Darunter seien das volkstümliche Brauchtum, Recht und Sitte, Arbeitsaufgabe und Arbeitsform zu verstehen.

Die Schüler sollten den behandelten Stoff selbst erleben und mitgestalten; deswegen müßten dazu bestimmte Texte immer gesprochen oder in Szenen dargestellt werden. Aus dem gleichen Grund sei der Unterrichtsgegenstand möglichst in seiner Wirklichkeit aufzusuchen: "Volksbrauch und Volksfest, Arbeitseinsatz, Schauspiel, Gedenkstätte, Landschaft usw. - alle diese für die Erkenntnis und Gestaltung des deutschen Lebens bedeutsamen Gegenstände sind an Ort und Stelle jenseits von Buch und Beschreibung aufzusuchen. Das Selbstsprechen der Dinge und das unmittelbare Angesprochenwerden von ihnen ist das entscheidende." [236] Dem Sprechen wird größere Bedeutung beigemessen als dem Schreiben, das zur "Selbstbespiegelung, zur Ichsucht" verführe. Die Rede hingegen fordere "den Feind Auge in Auge". Die hier beschriebenen Änderungen im Unterricht kamen dem Grundsatz der "Erlebnispädagogik" im gesamten Anstaltsleben nahe. Miterleben und Mitgestalten sollte auch im Unterricht verwirklicht werden; ob dieses Ideal tatsächlich erreicht wurde, bleibt fraglich. Weiterhin solle der Deutschunterricht die vielen Feiern und Kundgebungen des Nationalsozialismus vertiefen, um aus Anlaß des 30. Januars, des Oster- und Frühlingsfestes, des Führergeburtstages, des Reichsparteitages und Heldengedenktages usw. den Unterricht immer wieder weltanschaulich auszurichten.

Die behandelten Bücher, die als erstes nach ihrem "Wert für Rasse, Volk und gegenwärtige Lage" ausgesucht werden sollten, müßten besonders zum Ausdruck bringen: "1.) Das Germanentum. 2.) Werden und Schicksal des germanisch deutschen Wesens in der Auseinandersetzung zwischen dem Germanentum einerseits, Christentum und Antike andererseits. 3.) Die Gegenwartskräfte." In den Lektüreplänen für das Fach Deutsch aus den Jahren 1933/34, 1934/35 und 1937/38 [237] spiegelt sich diese Zielsetzung auch darin wider, daß altgermanische Dichtung ebenso enthalten ist wie isländische Sagas und das mittelhochdeutsche Nibelungenlied. Von Nietzsches Werken wurden Abschnitte aus Der Wille zur Macht gewählt, weil sie in die Weltanschauung des Nationalsozialismus paßten. Entsprechende Passagen wurden mit Mein Kampf und Rosenbergs Mythus des 20. Jahrhunderts verglichen. Weiterhin wurden bekannte politische Bücher wie Paul de Lagardes Bekenntnis zu Deutschland oder Hans Grimms Volk ohne Raum gelesen, dazu die Kriegsliteratur von Ernst Jünger (Kampf als inneres Erlebnis) oder Werner Beumelburg (Mit 17 Jahren in Verdun).

An einigen Klassenaufsätzen wird besonders deutlich, was Deutsch als Welt-


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[Abb. 11: In der Jungmannenbibliothek]

anschauungsunterricht bedeutete. Die Themen gaben eindeutig die zu erwartenden Antworten vor: "In Deutschland herrscht Diktatur und Tyrannei! Deutschland rüstet zum Kriege! Die deutsche Kultur wird plattgewalzt! Was haben sie auf diese Hetzparolen des Auslandes zu antworten?" Wenn ein Schüler über Die Bedeutung des Gesetzes zur Aufhebung der Länder oder Das Verhältnis von Führer und Gefolgschaft in den Lebensformen des Dritten Reiches einen Aufsatz schreiben sollte, so richtete er sich wahrscheinlich immer nach der nationalsozialistischen Ideologie; gleichzeitig konnte der Lehrer aber auch kontrollieren, wie weit er von dieser tatsächlich überzeugt war und wie überzeugend er sie vertrat. Folglich konnte in der Schule nicht nur Weltanschauung vermittelt, sondern auch der Erfolg dieser Vermittlung kontrolliert werden.

In den Klassen- und Hausaufsätzen wurde auch häufig der gesamte Anstaltsdienst an der NPEA behandelt. So lauteten andere Themen beispielsweise: Die Bedeutung des Wehrsports an unserer Schule, Bleibende Erinnerungen an eine Fahrt, Wie ich mein Amt als Stubenältester auffasse oder Antwort an einen Freund, der gern in Plön eingeschult werden möchte. Diese Themenstellung konnte dazu dienen, die Schüler zu größerer Beteiligung und Begeisterung an ihrer Napola anzuregen und sie innerhalb der Gedankenwelt der NPEA den Sinn ihrer verschiedenen Dienste verstehen zu lassen. Gleichzeitig legten die Schüler damit aber immer offen, was sie über die Erziehung an der Anstalt dachten.

Es fällt auf, daß die Themen selten erörternd, vergleichend, gegenüberstel-


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lend oder offen formuliert waren, sondern häufig erläutern sollten und politisch reproduktive Antworten erwarteten. Solche Themen lauteten dann etwa: Unter welchen Gesichtspunkten hat das nationalsozialistische Deutschland die Saarfrage zu betrachten und zu betreiben?, Inhalt und Bedeutung der Volksabstimmung am 19. August 1934, Leben ist Kampf oder Das Glück des Vol-kes ist das wahre Ziel aller Politik. [238]

In allen Fächern wurden - natürlich nicht ausschließlich - Themen behandelt, die der Ideologie des Nationalsozialismus entsprachen und sie unterstützten. So war Kriegsdichtung und Kriegsliteratur ein fester Bestandteil des Englischunterrichts, indem man War in modern Prose, War in the Air oder The Great War 1914 - 1918 las. Im Lateinunterricht wurden u. a. "römische Schriftsteller zur Judenfrage" behandelt, und eine Aufgabe der Reifeprüfung 1937/38 befaßte sich mit der Organisation des Heeres unter Augustus. [239] Im Fach Griechisch, das 1934/35 noch ab der neunten Klasse des Realgymnasiums unterrichtet wurde, versuchte man mit Hilfe von Platons Texten über die "Kritik der Demokratie" und über die "Bedeutung der Gymnastik für die Erziehung", eigene Positionen des Führerstaates und der körperlichen Ausbildung an der NPEA zu untermauern. [240] Selbst der Mathematikunterricht stand im Dienst kriegstechnischer Fragestellungen, denn eine Aufgabe der Reifeprüfung des Jahres 1937/38 lautete: "Ein Flugzeug läßt aus einer Höhe von 2000 m bei einer Geschwindigkeit von 108 km/Std. eine Bombe fallen. Nach welcher Zeit und an welcher Stelle erreicht das Geschoß den Boden?" [241] Im Biologieunterricht sollten die Schüler besonders die Rassenideologie vermittelt bekommen. Alle Aufgaben der schriftlichen Reifeprüfung 1934/35 befaßten sich ausschließlich mit diesem Themenkomplex: "1. Welche Faktoren bedingten den Untergang antiker Völker und ihrer Kulturen? Welche Folgerungen ergeben sich hieraus für das Schicksal des eigenen Volkes? 2. Welche Maßnahmen hat die Reichsregierung ergriffen, dem drohenden rassischen Zerfall Einhalt zu gebieten? 3. Welche Tatsachen veranlassen die Rasseforscher, ihre Hauptsorge für die Zukunft des deutschen Volkes im Schicksal der nordischen Rasse zu suchen?" [242]

Die Aufgaben der schriftlichen Reifeprüfung in den Fächern Biologie, Deutsch und Nationalpolitik verkümmerten zu rein ideologischen Fragen. Zudem unterschieden sie sich kaum voneinander; die nationalsozialistische Weltanschauung sollte zum einen am Beispiel eines literarischen Werks, zum anderen am konkreten politischen Geschehen dargestellt werden. Eine Aufgabe im Fach Deutsch lautete etwa: Wieweit können die in der altgermanischen Dichtung dargestellten Charakterwerte Grundlage für unsere völkische Neuordnung sein? In der nationalpolitischen Aufgabe hieß es dann: Welche Grundlagen gab der Führer der nationalsozialistischen Bewegung, um sie zum Sieg zu führen? Weltanschauung und Unterricht verbanden sich immer stärker, so daß der preußische Kultusminister wohl für alle Schulen Ostern 1934 anordnete, "daß bei der Beurteilung der Persönlichkeit eines Schülers und der Frage der Reife im besonderen zu berücksichtigen sei, ob der Schüler der SA, der SS oder der HJ angehört." [243]


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Der Kunstunterricht der NPEA Plön wird in der von der Anstalt herausgegebenen Zeitschrift Kameradschaft näher erläutert; dieser Artikel ist die einzige Quelle über dieses Fach. Danach wurde im Unterricht großer Wert auf Verbindung zum täglichen Geschehen und zur Wirklichkeit gelegt. Die Arbeiten sollten möglichst praktische Anwendung finden und Nutzen bringen. Arbeiten, die später in der Mappe verschwinden, waren verpönt. Folglich fertigten die Jungmannen u. a. Wahlkampfplakate, Wandsprüche für die Stuben oder Plaketten für das Winterhilfswerk an. Nicht selten stellte ein Linolschnitt einen nationalsozialistischen Leitspruch dar. Selbst Geländeskizzen zu rein militärischen Zwecken wurden im Unterricht angefertigt. Auf diese Art und Weise wurde der Kunstunterricht auch zum Hilfsdienst für die politische Arbeit der Anstalt. Da diese Angaben nur auf einer einzigen Quelle beruhen, müßten ehemalige Jungmannen zur genaueren Überprüfung befragt werden. Immerhin erinnern sich im Gegensatz dazu zwei ehemalige Napolaner, einen hervorragenden Kunstunterricht genossen zu haben. [244]

Der bereits erwähnte Ehrbegriff unter den Schüler führte im Unterricht dazu, daß angeblich kein NPEA-Schüler mogelte oder den Unterricht störte. Der ehemalige Lehrer der Plöner Anstalt, Heinrich Rieper, schreibt darüber später: "So war das 'Mogeln' verpönt. Es galt als Vertrauensbruch gegen die Lehrer, und bei den Kameraden für unfair. [...] Selbst bei den Klassenarbeiten war in der N.P.E.A. eine scharfe Überwachung nicht erforderlich. Ein Appell an das Vertrauensverhältnis genügte. Wer täuschte, wurde sofort von seinen Kameraden abgelehnt. Ebenso waren Disziplinarschwierigkeiten ausgeschlossen. Man kam überhaupt nicht auf den Gedanken, absichtlich den Unterricht zu stören oder einen Lehrer zu ärgern." [245]

6.2. Körperliche und wehrsportliche Ausbildung

Das Hauptgewicht der Ausbildung an der NPEA Plön lag nach Angaben ehemaliger Schüler in erster Linie auf der vielseitigen sportlichen Betätigung durch Turnen, Leichtathletik, Schwimmen, Handball und Fußball. Dazu kamen in zweiter Linie Gelände- und Wehrsport, lange Märsche und Manöverübungen und die verschiedensten Kampfsportarten wie Boxen, Ringen und ähnliches. Zusätzlich bildeten die Erzieher ihre Schüler auch in heute populären Freizeitsportarten aus, so zum Beispiel im Segeln, Segelfliegen, Rudern, Reiten und Fechten. Mochte das Reiten für die Kavallerie im Krieg noch wichtig gewesen sein, richtete sich diese vielseitige Ausbildung doch nicht allein nach militärischen Zweckerwägungen. An der Anstalt sollten gleichzeitig politische Soldaten und sportliche Alleskönner mit einer "weltmännischen Attitüde", wie Scholtz es nennt, ausgebildet werden.

Der Anstaltsleiter Brunk legte besonderen Wert auf den Geländesport. Er arbeitete einen "Ausbildungsplan im Geländedienst" aus, der wenig später für alle NPEA übernommen wurde. [246] Nach einer undatierten Schrift über diesen Bereich der Ausbildung sollten die Jungmannen auf folgenden Gebieten geschult werden: Seh- und Hörübungen, Such-, Versteck- und Anschleichspiele,


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[Abb. 12: Eskaladierwand der Hindernisbahn an der Nübbelallee]


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Zeltbau und Lagerverhalten, Tarnungsübungen, Geländeausnutzung, Kartenlesen, Meldewesen, Entfernungsschätzen, Nachrichtendienst (Winken und Anfänge des Morsens), Orientierung im Gelände bei Tag und Nacht und Überwindung von Hindernissen. Dazu kamen die Schießausbildung und Erste Hilfe. [247]

Der geländesportliche Ausbildungsplan für Plön von 1934/35 gibt an, daß jeder Zug im Sommer an drei Nachmittagen in der Woche jeweils eine Stunde ausgebildet worden sei. Im Winter dauerte die Ausbildung danach insgesamt zwischen zweieinhalb und viereinhalb Stunden wöchentlich. [248] Neben dieser Einzelausbildung wurden auch Geländespiele durchgeführt. Dabei wurden Parteien gebildet, die einen Auftrag zu erfüllen hatten. Ein solcher konnte zum Beispiel für ein Geländespiel lauten: "Rot war in der Nacht aus Plön vertrieben worden [...] Aufgabe für Rot war, Plön wieder einzunehmen. Dies sollte gelungen sein, sobald 20 Mann von der roten Partei die Bahnlinie Ascheberg Plön überschritten hatten." [249] Die Jungmannen mußten nun dem Gegner entweder einen um das Handgelenk gebundenen Wollfaden, den sogenannten Lebensfaden, oder einen Stab aus der Hand entreißen. Wer seinen Faden oder Stab verlor, galt als tot und mußte aus dem Spiel ausscheiden. Erzieher oder Jungmannen wurden als Schiedsrichter eingesetzt und überwachten den Ausgang des Spiels, das nach einer bestimmten Zeit oder der Erfüllung des Auftrages endete. Die Geländespiele entwickelten sich unterschiedlich hart; es kam aber fast immer zu einzelnen oder massenhaften Handgemengen zwischen den Schülern, den sogenannten Rollereien.

Der Geländedienst wurde an den einzelnen NPEA anders durchgeführt. Brunk lehnte nach eigener Darstellung jeden formalistischen Drill oder "Soldatenspielerei" ab. Offensichtlich hat er dieses Ziel aber verfehlt, wenn man den Bericht über die Einzelausbildung bei strömenden Regen betrachtet, an der Brunk selbst auch teilnahm: "'Anfangen mit der Einzelausbildung', befahl der Staf. [...] 'Links um!', 'Rechts um!' erscholl es - die Wasserlachen wurden bedenklich größer. 'Knien!' schrie der Staf. [...] Knien, Hinlegen, Aufstehen, wechselten in bunter Reihenfolge. Dazwischen sangen wir Lieder, daß es nur so schallte. Dann übten wir Stechschritt und warfen unsere gestreckten Beine in die Pfützen." [250] Diese Art der Ausbildung erscheint militärisch, hart und formalistisch. Wenn Brunk die "Soldatenspielerei" ablehnte, kann sich diese Aussage also nur auf seine Form des Geländespiels beziehen. Andere Anstalten arbeiteten dabei mit MG- und Gewehrattrappen, Brunk hingegen befürwortete die Geländeausnutzung und den körperbetonten Kampf. Diese unterschiedlichen Auffassungen führten nach einem Geländespiel aller NPEA auf dem gemeinsamen Herbstmanöver 1934 im Weserbergland zu starken Spannungen zwischen den Anstalten: "Während wir auf sie zustürmten, eröffneten sie auf uns mit einer MG-Attrappe und einigen 98er Gewehren ein heftiges Feuer, wodurch wir uns aber nicht im geringsten beirren ließen und ihnen die blauen Bänder nacheinander abrissen [...] Auch einige Wahlstätter hatten Wunden und Löcher im Zeug [... und] waren so wütend, daß einige sogar behaupteten, wir hätten mit Messern gearbeitet." [251] Diese mehrtägigen Herbst-


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[Abb. 13: Schießausbildung mit Kleinkalibergewehren]


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manöver wurden bis zum Kriegsbeginn jedes Jahr durchgeführt. Dort maßen sich alle NPEA in einem Vergleich der körperlichen Leistungsfähigkeit beim Hindernisfahren der Kraftfahrer, beim Boxen, Fechten, Ringen usw. sowie im Geländespiel - nicht zuletzt, um von hohen nationalsozialistischen Funktionären wie Reichserziehungsminister Rust, Reichswehrminister Blomberg oder dem Reichsführer der SS Himmler beobachtet werden zu können. In den ersten Jahren stellte die NPEA Plön bei diesen Treffen häufig den Gesamt- und auch viele Einzelsieger, so daß Plön zeitweise als "Musteranstalt" angesehen wurde. Beim Herbstmanöver 1935 gewann die NPEA z.B. die Durchschnittswertung im Dreikampf in vier Jahrgängen und die Einzelwertung in fünf Jahrgängen.

Die Jungmannen unternahmen zusätzlich lange Märsche mit oder ohne Gepäck. Der erste Zug, also Schüler zwischen neun und elf Jahren, marschierte z.B. einmal ohne Gepäck 23 Kilometer, die älteren Schüler mit Gepäck 45 Kilometer. [252] Zur Veranschaulichung, wie hart solche körperlichen Leistungen waren, sei hinzugefügt, daß die III. Hundertschaft - Schüler zwischen 15 und 18 Jahren - einen Marsch über 25 Kilometer mit Gepäck in drei Stunden und 32 Minuten absolvierte. [253]

Es ist offensichtlich, daß den Jungmannen große Teile der Geländeausbildung viel Spaß gemacht haben müssen, erweckten doch die Manöver und Geländespiele auch die Abenteuerlust und Lagerfeuerromantik in den Schülern und brachten sie mit der Landschaft in Berührung. Dennoch dienten sie letztlich der Wehrertüchtigung. Diese militärische Zielsetzung wurde spätestens dann offensichtlich, als die Übungen mit Gasmasken und Gewehren durchgeführt wurden, wie auf der NPEA Plön geschehen. [254] Dieses militärische Ziel wird auch daraus ersichtlich, daß das Kleinkaliberschießen Teil der Geländesportausbildung eines jeden Jungmanns war und daß nach Naake bei Geländespielen immer eine Partei die Rolle der "Bolschewiken" übernehmen mußte. [255] Dementsprechend wertet auch ein ehemaliger Jungmann der NPEA Plön und Stuhm, diese Erziehung habe das "Indianerspielen" ausgenutzt, um die Schüler auf eine militärische Auseinandersetzung vorzubereiten: "Diese Erziehung - im Gleichschritt marschieren, Geländespiele machen, mit Gewehren umgehen, wissen, wie eine Handgranate funktioniert, mit einer Gasmaske umgehen - das waren ja alles keine Dinge, die [...] in den Bereich des Indianerspielens gehörten. [...] Daß man die Instinkte der Jugendlichen, [...] Indianer zu spielen, sich zu verstecken usw., dazu ausgenutzt hat, das ist ganz was anderes. Aber der Tendenz nach war das alles ganz konsequent auf eine militärische Auseinandersetzung [...] angelegt." [256]

Die Jungmannen mußten die vielfältigsten körperlichen Übungen mitmachen, bei denen es immer galt, schneller und besser als der andere zu sein: "Da plötzlich 'Fliegerdeckung!' wie abgeschossene Pfeile spritzten wir in den Straßengraben, in den Schatten der Bäume [...] Schon hieß es: 'Rad fahren!' [...] Schon hieß es wieder: 'Auf den Bauch legen!' 'Schaukeln!' Wir umfaßten unsere Fußgelenke und schaukelten was das Zeug hielt. Da hörten wir unseren Major rufen: '20mal um die Achse rollen' und kurz darauf: '10 Meter vor-


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robben!'." [257] Im Sprachgebrauch der Plöner Napola bildete sich bald der Begriff des "Schleifens" heraus, der ähnliche, aber weitaus härtere und unsinnigere Übungen als die eben genannte beschreibt. Nach Angaben eines ehemaligen Jungmanns sei das "Schleifen" die sinnlose körperliche Belastung bis zum Zusammenbruch gewesen. Kommandos wie "Aufstehen!", "Hinlegen!" usw. verdeutlichten dabei die Ohnmacht des Untergebenen, der so manchmal bis zur Bewußtlosigkeit getrieben wurde. Die Schüler wurden hauptsächlich durch die Jungmann-Zugführer "geschliffen", selten durch die Erzieher. [258] Neben dem Geländesport gab es an der NPEA Plön noch Unterricht in Wehrsport. Der Stundenplan von 1937/38 verzeichnet 63 zwischen Ostern und Herbst erteilte Stunden. Der Unterschied zwischen den beiden Gebieten ist unklar; ebenso bleibt offen, was in diesen Stunden genau unterrichtet wurde. An der Nübbelallee hinter dem Rosengarten des Prinzenhauses existierte allerdings eine wehrsportliche Hindernisbahn, die dafür benutzt worden sein dürfte. Zunächst mußte ein Balkengerüst in etwa drei Meter Höhe überwunden werden, dann sollten die Jungmannen über die Eskaladierwand klettern. Anschließend mußten sie unter tiefem Stacheldraht durchkriechen und dann durch einen an einer Kette aufgehängten Autoreifen springen. Ein ehemaliger Jungmann erinnert sich, wie er mit einer Handgranate eine Figur treffen mußte. [259] Ein Foto aus dem Bundesarchiv Koblenz zeigt Plöner Napola-Schüler, die aus einem Schützengraben Keulen als Handgranatenattrappen werfen (Abb. 14). Zusätzlich zur Ausbildung an der Anstalt absolvierten die Jungmannen Lehrgänge und erwarben als "aktive Gäste" der verschiedenen Teile der Wehrmacht Einblicke in das Militär: "Wir sind [...] bei den Pionierkasernen gewesen, haben Panzernahkampfausbildung gehabt, wir sind mit U-Booten gefahren, wir sind mit Schnellbooten gefahren, haben da, ich will nicht sagen, eine elementare Ausbildung gehabt, [...] aber wir wußten über alles etwas Bescheid." [260]

Die gesamte körperliche Ausbildung war sehr hart. Es hat an der Anstalt Schwimmwettkämpfe im November bei 4° C kalten Wasser oder sogar im Dezember gegeben. [261] Wenn die Jungmannen wegen einiger Diphtheriefälle zum "Bazillentöten" ins Gelände geschickt wurden, verdeutlicht das, wie einige Erzieher offenbar glaubten, durch körperliche Betätigung solchen Krankheiten vorbeugen zu können oder sie gar zu heilen. [262] Insbesondere in den ersten Jahren führten die starken körperlichen Belastungen zu gesundheitlichen Schäden wie Sportlerherz oder zu Lungenproblemen. Entlassungen aus der Anstalt und Beschwerden der Eltern waren die Folge. [263] Wie hart die Jungmannen in Sport und Manövern kämpften, zeigt sich auch an den vielen leichten Verletzungen der Schüler. Im Schuljahr 1934/35 gab es 1971 Krankheitsfälle an der Anstalt. In fast einem Drittel der Fälle handelte es sich um Sportverletzungen aller Art, Schürfwunden, Prellungen, Verstauchungen, Verrenkungen und Brüche. [264] Sicherlich wurde auf die Gesundheit der Schüler geachtet, doch die genannten Folgen ließen sich bei einer harten Ausbildung nicht vermeiden.

Der tödliche Unfall eines Schülers bei einem Baumspiel war eine unglückliche Ausnahme. Der Hergang dieses Unfalls verdeutlicht aber, daß die Schüler im


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[Abb. 14: Hinter dem Prinzenhaus: Jungmannen werfen Handgranatenattrappen]


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Geländesport, besonders im Zusammenhang mit idealistischem Übereifer, einem Risiko ausgesetzt waren: "Der Zug mußte auf Tannen klettern, und ein Mann wurde bestimmt, die Leute zu suchen und sie dann herunterzuholen. Der Sucher kam so auch zu dem Baum, auf dem Heini sich versteckt hatte. Heini wollte entweichen und versuchte auf eine andere Tanne hinüberzuspringen. Hierbei stürzte er so unglücklich, daß er auf den Nacken fiel. Er hatte Schmerzen, und die Beine waren gelähmt." [265] Drei Wochen später starb dieser Schüler an den Folgen des Sturzes.

An der Napola wurden sportliche Mindestleistungen festgesetzt, um so durch eine Auslese die "schlechten" Schüler von der Anstalt zu verweisen. Wer sie nicht erreichte, hätte nach Angaben des ehemaligen Plöner Schülers Klaus Natorp "die Hölle auf Erden" gehabt, und es sei so lange trainiert worden, bis die geforderten Leistung erbracht wurde oder der Schüler entnervt aufgegeben habe. [266] Jeder Jungmann sollte im leichtathletischen Reichsjugendwettkampf die Siegernadel, also mindestens 180 Punkte erreichen, andernfalls mußte er in den meisten Fällen die Anstalt verlassen. Noch 1940 erreichten von 160 Jungmannen nur 90 die Mindestleistung, in den oberen Zügen allerdings fast alle. Für den Reichsjugendwettkampf 1941 setzte der Anstaltsleiter die Schüler stark unter Druck: "Denjenigen, die die 180 Punkte nicht erreichen, stellte der Staf. die übelsten Folgen in Aussicht: Jegliche Vergünstigung wie Urlaub usw. fallen für sie aus. Dem Zug, der nicht geschlossen das Ziel, also die 180 Punkte erreichte, wurde es verboten, ins Kino zu gehen. Er heizte ihnen ordentlich ein, und man kann sich denken, wie es diesen Jungen zumute war." [267] In jenem Jahr erreichten dann 81% die DJ- bzw. HJ-Siegernadel; folglich mußte "eine ganze Reihe von Schülern" abgehen. Lediglich neun Schüler konnten trotz verfehlter Punktezahl an der Anstalt bleiben, da man hoffte, daß sie die Leistung in den nächsten Jahren erreichen würden. [268] Im Jahre 1943 ist dann sogar vom "Sportwettkampf um die 200 Punkte" die Rede, ob die Anforderungen an die Schüler tatsächlich noch gestiegen waren, ist allerdings nicht zweifelsfrei geklärt.

Betrachtet man die leichtathletischen Bestleistungen der Anstalt aus dem Jahre 1939, läßt sich erkennen, daß die NPEA-Schüler in allen Disziplinen stark überdurchschnittliche Ergebnisse, aber kaum absolute Spitzenleistungen erzielten. Auf eine einzelne Disziplin konnten sich die Jungmannen bei der vielseitigen Ausbildung gar nicht konzentrieren. So lagen die Schulrekorde im 100-Meter-Lauf bei 11.1 sek, für 1.000 Meter bei 2.48 min, im Weitsprung bei 6.06 m, im Hochsprung bei 1.62 m und im Kugelstoßen (7.25 kg) bei 11.04 m. Wie vielseitig die Jungmannen ausgebildet werden sollten, zeigt sich an einem Bericht der Brüsseler Zeitung aus dem Jahre 1943. Danach sollen die Jungmannen des achten Zuges die sportlichen Leistungsabzeichen, sämtliche Führerscheine, die Jollenführerberechtigung und möglichst den Reiterschein erworben haben. [269] Als Ausdruck der breiten körperlichen Schulung waren 1941 90% aller Jungmannen Freischwimmer, 70 besaßen den Grundschein der DLRG und 36 ein Segelfliegerabzeichen. [270] Diese umfassende sportliche Ausbildung im Segeln,


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[Abb. 15: Segelausbildung auf dem Plöner See]

[Abb. 16: Segelflugschulung]


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Segelflug, Rudern, Kutterpullen, Fechten, Reiten, Boxen, Ringen, Reiten, Autofahren und anderen Sportarten wurde zumindest von einigen Jungmannen in Frage gestellt.

Nachdem ein Schüler die NPEA zur Wehrmacht verlassen hatte, kritisierte er zu Recht die Zersplitterung auf sportlichem Gebiet und forderte eine Beschränkung auf höchstens drei Sportarten. [271]

An einigen Punkten wird sichtbar, wie sich die Kriegsmarine und die SS um Einfluß auf die NPEA Plön bemühten. 1941 stiftete die Marineleitung offenbar im Zusammenhang mit der "Ausrichtung der NPEA Plön auf die Belange der Kriegsmarine" sechs Torpedobootkutter, zehn Olympiajollen und zwei Motorfahrzeuge. Dadurch sollten natürlich viele Jungmannen auf diesem Gebiet gut vorgebildet und als "Offiziersanwärter für die Kriegsmarine geworben werden." [272] 1942 wurde Plön neben vier weiteren NPEA sogar zur Marineanstalt erklärt. [273] Auch der Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, spendete 1941 fünf Piratenjollen.

6.3. Ideologische Beeinflussung

Der Nationalsozialismus ist an der NPEA in allen Bereichen des täglichen Lebens vorgelebt und nur in zweiter Linie abstrakt dem Verstand der Schüler nähergebracht worden. Bezeichnend dafür ist die Äußerung eines Schülers über die Nationalpolitischen Arbeitsgemeinschaften: "Was da nun theoretisch vermittelt wurde, haben wir versucht, praktisch zu leben." Grundsätzlich muß gesagt werden, daß sich kaum ein Schüler weltanschaulich manipuliert fühlte, sondern daß die Jungmannen sogar dachten, die besseren Nationalsozialisten zu sein, also die Verbreiter und Verkünder dieser Ideologie und nicht eines ihrer "Opfer".

Offen "theoretische" Ideologie-Schulung hat es nur - von Teilen des Unterrichts abgesehen - in den Nationalpolitischen Arbeitsgemeinschaften gegeben. Im Schuljahr 1933/34 gab es diese jedoch noch nicht, sondern AGs zu den Fächern Biologie und Geschichte. Allerdings wurden dort in zwei Stunden wöchentlich bei jeweils nur zehn Teilnehmern auch eindeutig ideologische Themen behandelt. In Biologie waren Eugenik - also Fragen der "Erbhygiene" - und in Geschichte "Gegenwartspolitische Fragen" und "Grenzländer" Unterrichtsthemen. Im nächsten Schuljahr traten an ihre Stelle drei Arbeitsgemeinschaften "Politische Erziehung", die von drei Erziehern bei insgesamt 45 Teilnehmern geleitet wurden. [274] Daraus haben sich dann später die Nationalpolitischen Arbeitsgemeinschaften gebildet, die offenbar auch nicht für alle Schüler verbindlich, sondern freiwillig waren. Sie fanden laut Angaben eines Schülers im Anschluß an das Abendessen statt, in der Mittelstufe wurde demnach Hitlers Mein Kampf und in der Oberstufe Rosenbergs Mythus des 20. Jahrhunderts gelesen. Anhand dieser und anderer Autoren wurden den Schülern die Ideologie und die Schlagworte des Nationalsozialismus nähergebracht: "Hier haben wir natürlich Rosenberg gelesen, wir haben Houston Stewart Chamberlain gelesen, wir haben 'Mein Kampf' gelesen. [...] Der wurde uns auch erklärt, wir als 10- bis


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[Abb. 17: Fahnenweihe mit Prinz August Wilhelm von Preußen, 19. September 1933]

16jährige hätten diese Literatur ja nicht alleine verkraften können [...] Wir hatten auch ganz spezielle Bücher wie 'Glaube und Handeln', [von] Stellrecht, die wir [...] jedenfalls im Prinzip auswendig lernen mußten. Wo eben gesagt wurde: Was ist Treue, was ist Korpsgeist, was ist Mut, was ist Disziplin? Alle diese Schwertworte, ohne die wir als Jungmannen mit unserem späteren Ziel gar nicht auskommen konnten." [275]

Im Winter 1933 wurde der politische Abend eingeführt. Einmal wöchentlich hielten hier Gäste und aus allen Bereichen von Staat, Partei, Militär, Justiz, Wissenschaft und anderen Teilen der Gesellschaft Vorträge vor den älteren Jungmannen, also der ersten Hundertschaft. Auch die Plöner Erzieher sprachen an diesen Abenden. In dieser Reihe referierte beispielsweise Gaurichter Lütt aus Kiel über Neues deutsches Recht, der Kieler Professor Staemmler über Rasse, Volk, Staat und Dr. Craemer aus Königsberg über Der Deutsche Volkskampf im Osten. Die Redner kamen dabei auch aus entlegenen Teilen des Reichsgebietes. Die folgende Auflistung weiterer Vortragsthemen verdeutlicht die politische Zielsetzung dieser Abende: Flucht aus russischer Gefangenschaft, Nordschleswig und Versailles, Chemische Stoffe als Waffe, Der Deutsche Arbeitsdienst, Kämpfendes Deutschtum im Donauraum, Schleswig-Holstein in der Kampfzeit usw. Nach dem Vortrag bestand Gelegenheit zu Aussprache und längeren Diskussionen; im Unterricht wurden diese Abende manchmal ebenfalls besprochen. [276]

Im Schloß gab es zwei Orte, die den Schülern ständig vor Augen führen sollten, daß der Friedensvertrag von Versailles die Freiheit der Deutschen geknech-


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[Abb. 18: Das sogenannte Schwarze Fenster, die "Versailles-Nische" im Rittersaal]

tet habe: das "Schwarze Fenster", auch "Versailles-Nische" genannt, und die Nordschleswigecke. Am 28. Juni 1933 fand im Rittersaal anläßlich des Jahrestages der Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrages eine Kundgebung statt, bei der das "Schwarze Fenster" eingeweiht wurde. Auf einem mit schwarzem Samt ausgeschlagenen Podest hatte man den Text des Vertrages niedergelegt und mit einem Dolch durchstoßen - als martialisches Zeichen für den Kampf gegen dieses "entehrende Schanddiktat". Die darumgelegten schweren Eisenketten sollten symbolisierten, wie man sich von ihm versklavt zu fühlen hatte. Nach der Einweihung wandte sich der Anstaltsleiter Brunk in einer Rede an die Jungmannen: "Junge Kameraden! Unser Leben gilt Deutschland. Die Folgen der Schanddiktatur haben wir täglich vor Augen. Auf allen Gebieten werden wir bedrückt. Deutschland ist nicht frei. Ihr sollt nicht ruhen und rasten, bis der Vertrag beseitigt ist, Deutschland muß frei werden, auch wenn wir sterben müssen." Danach wurde das Lied "Volk ans Gewehr" gesungen. [277] Den Kampf gegen den Vertrag von Versailles stellte Brunk, der sich selbst einen "Verbindungsmann zu den 2 Millionen Toten" des Ersten Weltkrieges nannte, seinen Schülern immer wieder als Aufgabe. Das "Schwarze Fenster" verdeutlicht über das kriegerische Erziehungsziel hinaus, wie die Schüler gefühls- und stimmungsmäßig beeinflußt wurden. Die schweren, spitzen Ketten und das schwarze Tuch lassen den Vertrag bedrohlich erscheinen, hier wird Ideologie nahezu kulthaft verbildlicht.

Durch die Nordschleswigecke sollte den Schülern immer vergegenwärtigt


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werden, daß der Vertrag von Versailles die Reichsgrenzen ungerecht festgelegt habe. Im Mai 1934 wurde im Flur des Schlosses an einer Wand in starken Farben der Umriß Schleswigs mit den alten und neuen Grenzen dargestellt. Darunter war der Spruch "Up ewig ungedeelt!" zu lesen.

Die Erziehung wandte sich im Laufe der Jahre immer stärker vom Christentum ab und hin zu einer unklaren Gottesvorstellung, die sich auf die Natur und die vorgeblichen Traditionen der Germanen bezog. Religion und Ideologie vermischten sich zu der Vorstellung, die nationalsozialistische Ideologie sei Gotteswunsch. Hitler wurden übersinnliche Fähigkeiten zugesprochen. Diese Abkehr vom Christentum zeigt sich an folgenden Punkten:

- Bis 1935 wurden in Plön noch Morgenandachten abgehalten [278], die dann in nicht-christliche Morgenfeiern umgewandelt wurden.

- An die Stelle der Konfirmation trat beim Übergang vom Deutschen Jungvolk in die Hitler-Jugend, also mit etwa 14 Jahren, die Jugendweihe. Da die HJ an der NPEA kaum eine Rolle spielte, verbanden die Schüler mit der Jugendweihe eher den Übergang in die Mittelstufe. [279] Im März 1934 fand sogar noch eine Konfirmation in der Schloßkapelle der Anstalt selbst statt. Die Zahl der Konfirmanden wurde allerdings von Jahr zu Jahr geringer. Die Konfirmation wurde anfangs noch geduldet, aber nicht gern gesehen. Einige Schüler ließen sich folglich in ihrem Heimatort konfirmieren. [280]

- Die Schloßkapelle wurde völlig umgebaut, bis sie auch architektonisch kaum noch an eine Kapelle erinnerte. In halber Höhe wurde eine Decke eingezogen, und der so entstandene obere Raum (heutiger Remter) am 21. Januar 1941 als "Hinrich-Lohse-Saal" benannt. Sein Namensgeber, der Gauleiter von Schleswig-Holstein, hatte die Arbeiten finanziell unterstützt.

- Der Religionsunterricht wurde stark beschränkt und im Gegensatz zu den normalen Deutschen Oberschulen später sogar abgeschafft. Im Schuljahr 1933/34 wurde Religion noch zweistündig unterrichtet. Doch schon im zweiten Halbjahr 1934/35 entfiel das Fach für die 9. bis 12. Klasse. [281] Spätestens mit der Erklärung auf der Bensberger Anstaltsleitertagung vom 24. September 1938, die besagte, daß an keiner der 14 NPEA mehr Religionsunterricht erteilt werde, dürfte das Fach auch in Plön abgeschafft worden sein. 1938 wurde allerdings das Fach Religionskunde neu eingeführt, das Anstaltsleiter Brunk unterrichtete. [282] Es bleibt ungeklärt, wie sich Religionskunde vom vorherigen Religionsunterricht unterschied.

- Viele Erzieher und Jungmannen beteiligten sich aktiv in der Deutschen Glaubensbewegung. Nach Angaben eines ehemaligen Schülers traten sehr viele Schüler aus der Kirche aus. [283]

Die Einstellung des Anstaltsleiters Brunk zu dieser Entwicklung ist unklar. Rieper beschreibt an mehreren Stellen eine sehr tolerante Haltung Brunks zum Christentum, der aber andererseits in seiner Rolle als Vizeinspekteur der Landesverwaltung der NPEA im Februar 1937 forderte, kein Jungmann dürfe zum Christen erzogen werden. [284] Ein ehemaliger Napolaner bestätigt diese antichristliche Haltung.

Wie sah nun die neue "Religiosität" aus? Die Morgenfeiern wurden mei-


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[Abb. 19: Morgenfeier im Hinrich-Lohse-Saal zum Thema "Mutter"]

stens von den Schülern eines Zuges - anfangs in Zusammenarbeit mit den Erziehern - selbst sehr sorgfältig vorbereitet und durchgeführt. Sie waren sehr feierlich ausgestaltet, indem einzelne Sprecher konforme Gedichte oder Texte aufsagten oder der ganze Zug als Chor mitwirkte. Die Schüler umrahmten die Feier häufig mit Musik oder stellten ein kurzes szenisches Schauspiel dar. Die Inhalte werden anhand folgender Themen einiger Morgenfeiern deutlich: Gott, Volk, Führer, Der Führer, Horst Wessel, Friedrich der Große, Der 30. Januar, Skagerrak, Deutschlandlied, Die Frau und Mutter oder Der Heimatdichter Klaus Groth. In den Morgenfeiern konnte vielleicht den jüngeren Schülern noch nationalsozialistische Weltanschauung vermittelt werden; die älteren hatten sicherlich schon mehrmals den 30. Januar oder das Leben Horst Wessels erklärt bekommen. Sie sollten nun die "gelernte" Einstellung für andere darstellen und dabei verinnerlichen.

Im Gegensatz dazu wurden die Jungmannen bei der Jugendweihe durch die Erzieher direkt beeinflußt. Es gab nämlich vorher eine strenge Schulung, bei deren abschließender Prüfung man offenbar auch durchfallen konnte. [285] Es ist eine Abschrift der Schulungsvorträge anläßlich der Jugendweihe vom 28. Mai 1943 erhalten. Zunächst wird der allgemeine christliche Glaube als widersprüchlich dargestellt und Gott


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als "alter Mann im Himmel" ins Lächerliche gezogen. Diesen angeblich menschlich erdachten jüdischen Gott lehnt der Erzieher ab: "Denn er ist ja vom Menschengehirn künstlich ausgedacht! [...] Der Gott [...] ist der falsche Gott der Juden gewesen. Er ist nicht der wahre Gott." Das neue Gottesbild stellte Gott als den "unbestimmten Urgrund" dar, der sich in der Natur zeige. Dazu werden germanische Zeichen wie das Radkreuz oder der Urd-Bogen eingeführt und erklärt, u.a. indem das Tor aus dem Goldmarie-Märchen als Urd-Bogen dargestellt wird. Diese Religionsvorstellung bekommt mystische Züge, wenn von Zwiesprache mit den "toten Ahnen und Kameraden" die Rede ist.

An dem gesamten Vortrag fällt auf, daß immer wieder Fragen der Religion und der Weltanschauung vermischt werden und daß die Religion letztlich die Weltanschauung begründen soll. So wird einmal behauptet, Gott wolle, daß jeder nach seiner Art lebe. Daraus wird dann abgeleitet, daß die Rassen sich angeblich nicht vermischen dürfen: "So wird Gott der Herr, ein Volk verwerfen, das [...] sich mit fremden Rassen vermengt." [286] Die Rassenideologie wird also indirekt als Gebot Gottes dargestellt. Weiterhin wird behauptet, die meisten Kirchen und Staaten wollen den "Menschheitsbrei" und somit das "Abbild des Teufels" schaffen, über das dann "der Jude" regieren werde. Um diese Frage werde letztlich der Zweite Weltkrieg geführt, der die Erfüllung des göttlichen Willens sei: "So kämpfen wir [...] für den Willen Gottes gegen die, die die göttliche Ordnung zerstört haben und überall ausrotten möchten. Das aber ist der Jude, der Teufel dieser Welt." [287] Auch die Unterordnung des eigenen Lebens unter das "Wohl des Volkes", hinter dem letztlich der Führer stand, wird als gottgewollt dargestellt. "Es ist Gottesdienst, wenn wir unser Ich bezwingen und unser Leben der Gemeinschaft des Volkes weihen." [288]

Adolf Hitler wird in die Nähe Gottes gestellt, und ihm werden übersinnlichen Fähigkeiten zugesprochen: "Ein großer, mit Gott und Natur verbundener Mensch sieht so klar in sein Inneres, daß er den eigenen Schicksalsweg aufgezeichnet sieht. Es ist immer das Zeichen besonders gottbegnadeter Menschen, und ich glaube, daß der Führer wie kein anderer die Gabe hat, im Politischen kommende Dinge vorauszusehen." [289] Die wesentlichen Elemente der nationalsozialistischen Ideologie - nämlich Rassenideologie, der Krieg und das Führerprinzip - werden hier so mit der Religion verknüpft, als wären sie von Gott bestimmt. Sie bekommen den Charakter göttlicher Gebote. Der gesamte Vortrag argumentiert immer wieder mit Vergleichen aus der Natur ("Und die Rose will keine Rübe werden") und aus dem Germanentum, was 14jährige noch beeindruckt haben kann, heute allerdings schon auf den ersten Blick zweifellos absurd wirkt.

Als Ausdruck dieses neuen Religionsgefühls wurden die Sonnenwendfeiern abgehalten, sogar das Weihnachtslied "Stille Nacht" dichteten die Schüler 1939 um, so daß nun "Erde schläft, Lebenskraft in ein weißes Schweigen gehüllt, bis sich ewiger Wechsel erfüllt. Sonnenwendzeit, Weihnacht ist da" zu hören war. [290] Im Gegensatz zu dieser eindeutigen Abkehr vom Christentum steht der Bericht eines ehemaligen Schülers: Ein Lehrer einer anderen NPEA, die aus dem Osten nach Plön evakuiert wurde, wollte im Deutschunterricht in Plön die Bibel mit dem nationalsozialistischem Katechismus widerlegen. Dieser Schüler hat sich nach eigenen Angaben beim Anstaltsleiter darüber beschwert. Daraufhin sei der fremde Lehrer durch Brunk unter großem Risiko abgelöst worden. [291]

Die Jugendweihe war verbunden mit


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[Abb. 20: Jungmannen und einige Geschwister bei der Jugendweihefeier]

der Übergabe des Seitengewehrs, die allerdings schon früher, nämlich in der sechsten Klasse, stattfand. Das Seitengewehr war ein an einer Kette zu tragendes Messer, auf dessen Klinge der Spruch Mehr sein als scheinen stand. Bei der Verleihung sprach Anstaltsleiter Brunk nach 1934 immer folgende Formel: "Nur der Tod und Eure Untreue kann Eure Verpflichtung lösen. Haltet Euren Leib und Eure Seele so rein wie diesen Stahl und werdet so hart wie der Stahl Eurer Ehrenwaffe." Bei der Zeremonie sprachen die Jungmannen gemeinsam das Gelöbnis: "Ich gelobe Treue und Gefolgschaft meinem Führer Adolf Hitler", danach traten sie einzeln an die Fahne, die sie mit der rechten Hand erfaßten. Mit der linken Hand griffen sie an die Klinge des Seitengewehrs des Anstaltsleiters und sprachen: "Ich gelobe es." Dann erhielten sie ihr eigenes Seitengewehr. Auf einige Schüler machte das einen solch starken Eindruck, daß sie eine Beschreibung ihrer Seitengewehrverleihung mit folgenden Worten beendeten: "Wir grüßten den Führer in heißem Dankgefühl für seine wunderbare Errettung und marschierten zum Schloß, die Jungmannen vom Zuge II, 2 gleich hinter der Fahne." [292]

Als konkretes Beispiel sei die Feier des Jahres 1942 beschrieben. Die Jungmannen und einige Geschwister traten auf dem Karreehof an und entzündeten an einer sogenannten Opferschale ihre Fackeln. Zusammen mit der gesamten Anstalt und den Verwandten bildeten sie einen Kreis. Ein Fahnenträger sprach dieses Gedicht: "In unseren Fahnen lodert Gott, / Drum wir sie heilig nennen. / Drum gegen Lug und Trug und Spott / Zum Sturm wir anrennen. / Und wer da fällt, der stirbt für Gott, /


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[Abb. 21: Jugendweihefeier am Prinzenhaus]

Zu dem wir uns bekennen." Danach sprachen alle das Gelöbnis "Die Erde ist alt", in dem die Erde als Teil Gottes und die Kraft der Erde als Gott bezeichnet wurde. Nachdem den Jungmannen der Leitspruch: Unser Glaube heißt Deutschland bekanntgegeben wurde, überreichte der Anstaltsleiter ihnen das Buch Gott und Volk. [293]

Aus der Verleihung des Seitengewehrs und aus der Jugendweihe wird ersichtlich, wie die Jungmannen durch Spruchformeln, Rituale und Kultgegenstände wie das Seitengewehr - über das ein ehemaliger Schüler sagt, es wurde nur im Verborgenen geputzt - gefühlsmäßig und irrational an den "Führer" und das "Vaterland" gebunden wurden. Wieder einmal vermischten sich Religion und Ideologie; auf diese Weise sollten die Jungmannen verführt werden, an die sogenannte "gerechte, heilige Sache" zu glauben.

Auf den vielen Feiern und Kundgebungen wie der Horst-Wessel-Feier, der Heldengedenkfeier oder dem Führergeburtstag konnte die nationalsozialistische Ideologie besonders beeindruckend vermittelt werden, zumal die Feiern häufig nachts abgehalten wurden. Eine Mitternachtsfeier am Heldengedenktag arbeitete beispielsweise mit Fackeln, Glocken, gedämpftem Orgelspiel aus der Kapelle und Vorträgen, u.a. von Stefan Georges An die Toten. Auf einer Bühne wurde sogar der Schlußteil des Schauspiels Annaberg nachts bei Scheinwerferlicht aufgeführt.


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[Abb. 22: Jungmann im Bergwerkseinsatz unter Tage]

6.4. Arbeitseinsatz und Auslandsfahrten

Durch Besuche in Plöner Handwerksbetrieben, Tätigkeit im Bergwerk und Erntehilfe bei Bauern sollten die Jungmannen körperliche Arbeit und die Lebensweise und Einstellung breiter Bevölvölkerungsschichten kennenlernen, die sie ja später in verschiedenen Positionen von Staat und Gesellschaft führen sollten. Sie wurden dazu erzogen, keine Arbeit zu verachten; ein gutes Verhältnis der "Arbeiter der Stirn und der Faust" zueinander wurde zur Stärkung der "Volksgemeinschaft" angestrebt. Die Lebenserfahrung und Kenntnisse im Umgang mit Unpolitischen oder Andersdenkenden bei diesen Einsätzen sollten natürlich im Hinblick auf kommende Führungsaufgaben erworben werden. Zudem war geistige nationalsozialistische Einstellung auch durch Taten zu beweisen.

Im Herbst 1934 besuchten die Plöner Jungmannen einzeln oder in kleineren Gruppen erstmals Plöner Handwerksbetriebe. Im Herbst und Winter guckten sie einmal die Woche zunächst den Handwerkern über die Schulter oder leisteten einfache Handreichungen. Später konnten sie selbst kleinere Arbeiten durchführen. Bei diesen Werkstättenbesuchen ging es ohne größere politische Zielsetzung darum, den Jungmannen Einblick in ein Handwerk zu ermöglichen. Mindestens bis ins Jahr 1938 sind diese Besuche noch durchgeführt worden.

Die Bergwerkseinsätze wurden 1937, 1938 und 1939 mit Schülern des 7. Zuges durchgeführt, in der Kriegszeit wegen der Gefahr durch Bomben jedoch zeitweise eingestellt. Aus dem Jahre 1942 ist ein weiterer Einsatz bekannt.


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[Abb. 23: Soziales Leben beim Bergwerkseinsatz]

Die Schüler wohnten für acht Wochen in den Familien der Kumpels und arbeiteten meistens zunächst 14 Tage über Tage und dann sechs Wochen in der Grube. Dabei sollten sie den Lebenskreis einer ihnen unbekannten sozialen Schicht und die Härte der Bergmannsarbeit kennenlernen und hierbei soziale Aufgaben und Schwierigkeiten erfahren. Gleichzeitig war der Einsatz als erste Bewährung außerhalb der Anstalt gedacht. Das bedeutete, die eigene Weltanschauung gegenüber einer überwiegend gläubigen katholischen Bergarbeiterschaft zu vertreten, von der nur wenige Mitglied in der NSDAP waren, sondern viele vor 1933 der SPD, KPD oder der Zentrumspartei angehört hatten. In religiösen, politischen und geschlechtlichen Fragen ("Bordell und Puff waren etwas Alltägliches" [294]) wurden sie mit einer völlig anderen Einstellung konfrontiert. An alle diese Dinge gingen die Jungmannen gemäß ihrer Erziehung voreingenommen von der nationalsozialistischen Ideologie aus heran. Anhand einiger Berichte der NPEA-Schüler wird sichtbar, wie sehr die Erziehung ihnen die nationalsozialistische Sichtweise eingeprägt hatte. Angesichts der vielen Zwangsarbeiter, die unter Tage arbeiten mußten, fragte sich zum Beispiel ein Jungmann: "Wie entgeht man einer Blutvermischung mit fremdrassigen Menschen, und wie bekämpft man dann Aufstände von Unzufriedenen, ohne englische Burenmethoden anzuwenden?" Als mögliche Antworten zog der Schüler folgendes in Betracht. "Überwachung durch Deutsche, Zusammenfassen in Arbeitslagern, Eindeutschen von Ausländern mit vorwie-gend germanischem Einschlag, Heranziehen von ganz artfremden Rassen


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(Chinesen, Malayen oder ähnliche), um den rassischen Abstand zu vergrößern und dadurch einer biologischen Vermischung zu entgehen". [295]

Die Bergwerkseinsätze waren häufig das erste Zusammentreffen von Ideologie und Realität, wobei das Ideengebäude des Nationalsozialismus nicht verlassen, sondern das Verständnis der Realität von der Ideologie geprägt wurde. Die Jungmannen machten sich Gedanken über viele politische Fragen wie Arbeitszeit und Lohn der Kumpels, Arbeitermangel im Bergbau oder den starken Einfluß der Kirche in dieser Region, so daß der Einsatz auch ihren konkreten politischen Blickwinkel erweiterte. Die Jungmannen arbeiteten mit idealistischem Eifer, sahen sie sich doch als "Repräsentanten des Nationalsozialismus". Vor Überstunden und Feiertagsarbeit scheuten sie sich nicht, sie arbeiteten so viel, daß etliche vorübergehend stark abnahmen. Zu ihren Quartierseltern entwickelte sich meistens ein sehr herzliches Verhältnis. Einem Jungmann, dessen Vater bereits gestorben war, bot die Familie sogar die Adoption an, falls der Mutter auch noch etwas zustoßen sollte.

Da sehr viele Männer ab 1939 in die Wehrmacht eingezogen wurden, trat ein allgemeiner Arbeitskräftemangel ein, den die NPEA-Schüler durch Erntehilfe in der Landwirtschaft, Einsätze in der Industrie und - seltener - in Partei und Verwaltung verringern sollten. Brunk schreibt, daß sie in den Ferien 1940 überall zu Hause in der Landwirtschaft, in der Industrie und als Helfer bei Behörden und Parteidienststellen eingesetzt waren. 1939 waren 236 Jungmannen 34 Tage hauptsächlich im Landdienst tätig. Im Sommer und Herbst 1943 wurden 2.778 Tagewerke geleistet. [296] Dadurch wurde der Unterricht natürlich stark beschränkt. Neben dieser Unterstützung der heimischen Bauern und Betriebe wurden seit Anfang 1943 Jungmannen ab Obertertia als Marinehelfer in Lilienthal und Schönhorst eingesetzt. [297]

Wurde der Landdienst im Grenzland, falls dort Deutsche neben ausländischen Minderheiten lebten, oder im Ausland in Regionen mit deutschen Volksgruppen durchgeführt, sollte er dort immer das "Volkstum" dieser Deutschen und ihre nationalsozialistische Einstellung stärken und hatte deshalb eine größere politische als wirtschaftliche Bedeutung. In diesem Fall hatte der Landdienst konkret folgende Ziele: "1. Den Bauern rein wirtschaftlich zu unterstützen [...] 2. in nationalsozialistischem und damit volksdeutschem Sinn zu beeinflussen, seine Anklagen gegen Partei- und Regierungsstellen zu entkräften und seine Sehnsucht zum Reich noch größer zu machen [...] 3. Dem Bauern die Verbundenheit zwischen Reichsdeutschen und Auslandsdeutschen und die Überwindung aller Klassen- und Standesgegensätze [...] vor Augen zu führen. 4. [...] Unterstützung der örtlichen Parteiformation." [298] Der fünfwöchige Einsatz eines 5. Zuges der Plöner Napola im Warthegau war so ein Fall. Bei der Bevölkerung in dem ehemaligen polnischen bzw. russischen Gebiet handelte es sich nämlich um rückgesiedelte Bessarabier, "waschechte Schwaben". Dort versammelten sich 800 Schüler der AHS, NPEA und der HJ aus dem Ausland, um ihnen die "Volksgemeinschaft" zu demonstrieren. [299]

Zusätzlich sorgten die Jungmannen einiger Züge in der Kinderlandver-


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schickung als Lagermannschaftsführer oder Unterführer für die Betreuung der Kinder am Nachmittag. Dort konnten sie die an der Napola gelernten Umgangsformen einsetzen und sich selbst als "Führer" erproben. Folglich versuchten sie, den Plöner Tagesablauf auf die KLV-Lager zu übertragen: "Plöner Bettenbau, Plöner Spindordnung und Frühsport wurden eingeführt. Ich veranlaßte einen kurzen Haarschnitt [...] führte das Antreten vor dem Essen ein [...] ließ vor Tisch einen Spruch sagen [...] ich [führte] den 'Unterführer vom Dienst' ein, mit täglicher Abwechslung." [300]

Die NPEA-Schüler hatten neben den Arbeitseinsätzen ein weiteres Betätigungsfeld außerhalb der Anstalt, um den Nationalsozialismus zu verbreiten und dort ein Stück Lebenserfahrung zu sammeln: die Dorfabende, die Fahrten und den Schüleraustausch mit dem Ausland. Hauptsächlich im Winter führten die Jungmannen in der weiteren Umgebung Plöns sogenannte Dorfabende durch. Ziel einer solchen Veranstaltung war es, im "Kampf gegen die [...] kitschige und geistlose Art von Feiern, bei denen nach einem notdürftig abgehaspelten Programm dann nur noch das Tanzbein geschwungen wird, [...] die Dorfgemeinschaft entstehen" zu lassen. Es ging also darum, die nationalsozialistische Kulturauffassung ins Dorf zu tragen; sicherlich sollte dem Dorfbewohner im Sinne der "Volksgemeinschaft" auch die Solidarität der NPEA-Schüler demonstriert werden. Mit ernsten oder heiteren Darbietungen und Musik gestalteten die Jungmannen eines Zuges den Dorfabend. Sie führten z. B. die Theaterstücke Der Bauernführer oder Die Geschichtsstunde auf und zeigten turnerische Vorführungen oder erzählten vom Anstaltsdienst. Ein bestimmter Zug sollte in den folgenden Jahren immer wieder ins gleiche Dorf kommen, um auch persönliche Kontakte entstehen zu lassen. [301]

Zu der deutschen Minderheit in Dänemark hatte die Anstalt ebenfalls gute Kontakte; die Partnerschule in Norderseiersleff/Nordschleswig wurde regelmäßig besucht. Auch diese Kontakte dienten der Stärkung der Auslandsdeutschen. Im Wahlkampf 1939 fuhren alle Züge außer dem jüngsten nach Nordschleswig. Dort unterstützten sie in mehr als 35 Wahlversammlungen die Schleswigsche Partei. Diese Propaganda wurde von den Dänen natürlich nicht gerne gesehen, so daß es den Jungmannen verboten wurde, mit Musik- und Fanfarenzug oder in Sprechchören geschlossen aufzutreten. Dennoch mußten drei Jungmannen ausgewiesen werden, ja zwei Erzieher wurden sogar verhaftet und bestraft. [302]

Die Jungmannen unternahmen in den Sommerferien in kleineren Gruppen Reisen in das europäische Ausland. Im Jahre 1935 gingen beispielsweise elf Auslandsfahrten mit durchschnittlich acht Teilnehmern nach Island, Finnland, Lettland, Italien, Ungarn, Jugoslawien und in die Tschechoslowakei. [303] Aber auch England, Frankreich, Österreich, Rumänien wurden bereist. Das scheint zunächst mit dem Bild einer betont nationalen Erziehung nicht recht vereinbar. Allerdings fällt schon an den Fahrtzielen auf, daß nahezu ausschließlich nordische Länder und Länder mit deutscher Minderheit besucht wurden. Neben reinen gemeinschaftsfördernden Fahrten gab es auch viele Fahrten mit politischem Zweck. Häufig wurden Regionen mit deutscher Minderheit ge-


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wählt, die manchmal auch durch Landdienst unterstützt werden sollte. Bei diesen Fahrten sollten die Auslandsdeutschen in ihrer nationalsozialistischen Weltanschauung und ihrem Deutschtum bestärkt werden. Dieses wollten die Jungmannen durch Lieder, Aufführungen, Volkstänze, Berichte über die Heimat und Erntehilfe erreichen. Ein Erzieher beschrieb aber auch, wie auf den Fahrten der politische Gegner erlebt werden sollte, um ihn bekämpfen zu können; zudem bringe die Begegnung mit einem anderen Volk nützliche Kenntnisse über das eigene Volk: "Wir sehen dort die Kräfte offen am Werk, die sich bei uns nicht mehr ungestraft zeigen, [...] die man aber kennen muß, um sie wirksam bekämpfen zu können wie: Kommunismus, Judentum, Freimaurerei, politischen Katholizismus usw. [...] Schließlich gewähren alle diese Fahrten Einblick in fremdes Volkstum, in andere politische Strukturen. Unsere Jungmannschaft gewinnt dadurch Abstand und Vergleichsmöglicheiten für die eigenen Verhältnisse, und das Ergebnis ist noch immer ein tieferes Verstehen und größere Liebe zum eigenen Volk gewesen." [304]

Auf einer Südslawienfahrt bildeten die NPEA-Jungmannen in einem Führungslager 15 Jungen aus, indem sie Sport, Ordnungsübungen, Geländesport, Singen und Heimspiele veranstalteten. Auch in Slowenien betreuten die Napolaner Volksdeutsche in Lagern und informierten über die politische Lage in Deutschland. [305] Um die Auslandsdeutschen kennenzulernen, traf sich eine Gruppe von Schülern in einem jugoslawischen Dorf jeden Abend mit der dortigen Jugendgruppe und brachte ihr deutsche Liedertexte und Melodien bei. Die Schüler sollten von "Deutschland berichten und alle Mißverständnisse und Einwände beseitigen", das heißt den Nationalsozialismus unter der deutschen Minderheit verbreiten. Aus diesem Grund wurden die Jungmannen von Militär und Polizei in bestimmten Ländern besonders beobachtet und die Zusammenkunft mit Deutschen z.B. auf einer Fahrt in die jugoslawische Batschka verhindert. [306] In einem Fall wurde ein Erzieher sogar verhaftet und zu eiem Jahr Kerkerstrafe verurteilt, allerdings nach vier Monaten begnadigt. Auch die Jungmannen hatten einige Wochen im Gefängnis gesessen. [307]

Aus diesen Ereignissen geht hervor, daß diese Fahrten in erster Linie nicht zur Achtung fremder Kulturen und der Völkerverständigung dienten, sondern die deutschen Minderheiten im Ausland ideologisch unterstützen und kontrollieren sollten. Mit Ausbruch des Krieges endeten dann diese Aktivitäten.

Die NPEA Plön unterhielt sogar mit Schulen in Mexiko und den USA einen einjährigen Schüleraustausch. In Mexiko handelte es sich um eine deutsche Schule, in den USA um eine Privatschule für Kinder wirtschaftlich gutgestellter Eltern. Diese Schulen schickten auch ihre Schüler - drei Deutsch-Mexikaner und fünf Amerikaner - an die NPEA Plön. Von dieser Seite gingen ebenfalls nur ein kleine Zahl, die besten Jungmannen, ins Ausland. [308] Mit der Stockholmer Schule Norra Latin und einer Public School aus Harrow bei London pflegte die Anstalt ebenfalls Kontakte durch gegenseitige Besuche und Sportwettkämpfe.

Es fällt auf, daß die Kontakte mit anderen Ländern sich entweder auf "ver-


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[Abb. 24: Ideologische Symbolik in der Zeltanordnung]

wandte nordische Völker" beschränkten oder im Ausland ähnliche Schulformen gesucht wurden (wie die Public School in England oder die Privatschule in den USA), anstatt dort die allgemein verbreitete gesamtschulartige High School zu wählen. Die Schüler sollten im Ausland sicherlich Lebenserfahrung sammeln und ihren Horizont erweitern; der Schüleraustausch ist aber kein Zeichen dafür, daß die NPEA hier etwa die Ideologie durchbrechen konnte - im Sinne des Kennenlernens und der Achtung anderer, fremder Kulturen.

6.5. Erziehungsmethoden und Erziehungsziele

Wehrmacht und SS, in geringerem Maße auch die HJ, bemühten sich, die NPEA als Ausbildungsstätten für ihren Nachwuchs zu gewinnen. Gelungen ist ihnen das nicht; die Napola-Schüler konnten ihre Berufe frei wählen. Auch an der NPEA Plön sollten die Jungmannen vielmehr für allgemeine Führungsaufgaben ausgebildet werden, um das "tausendjährige Reich" mit nationalsozialistischen Führungskräften zu versorgen. Ob die Schüler Berufe in Staats- oder Verwaltungsdienst, Diplomatie oder Heer, Polizei oder in zivilen Bereichen ergreifen sollten, war nicht festgelegt. Aber an diese Berufe hatte man wohl gedacht und erhoffte sich auch, daß die Jungmannen den Nationalsozialismus stärken und als Multiplikatoren verbreiten würden.

Ohne Zweifel sollten die Napolaner zu gläubigen, fanatischen Nationalsozialisten erzogen werden. In einem Zeitungsbericht über die NPEA Plön we-


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nige Wochen nach ihrem Entstehen heißt es diesem Erziehungsziel entsprechend: "An dieser Schule hat nationalsozialistische Lebenshaltung oberstes Grundgesetz zu sein. Hier hat krasseste Intoleranz zu herrschen gegen all die Kräfte, die dem Nationalsozialismus zuwiderlaufen." [309] Erziehung zum Nationalsozialismus bedeutete auch, daß von einzelnen Erziehern in den Schülern Judenhaß hervorgerufen wurde.

Die beschämenden Hetzparolen in den Schulungsvorträgen der Jugendweihe 1943 sind ein Beispiel dafür. Ein ehemaliger Napolaner erinnert sich, wie die Jungmannen seines 5. Zuges dazu aufgefordert wurden, "Juden raus!" gegen ein Wohnhaus von Juden in Wyk auf Föhr zu schreien. [310] Innerlich waren die Jungmannen bedrückt, fügten sich aber doch dem Befehl. Ein ehemaliger Schüler betont, daß es sich hierbei um Einzelbeispiele handelt; daraus läßt sich aber nicht schließen, die Napolas hätten sich von Antisemitismus in der Erziehung befreit.

Der Plöner Leitspruch Unser Leben gilt nichts, wenn es nicht eingesetzt wird für die Nation und den Führer verdeutlicht, daß die Jungmannen hinter der Aufgabe zum Dienst an Volk und Vaterland ihr eigenes Leben und ihre Persönlichkeit völlig zurückstellen sollten.

Als Ernst Röhm bei der Namensgebung der Anstalt [311] das Erziehungsziel der NPEA Plön damit beschrieb, hier werden "gute brave deutsche Soldaten" herangezogen, war dies doch zu anspruchslos und erklärt die Begeisterung und den Idealismus vieler Schüler nicht. Allerdings sollten die Jungmannen schon seit 1933 körperlich und von ihrer geistigen Einstellung her auf den Krieg vorbereitet werden: "Deutschland muß frei werden, auch wenn wir sterben müssen. [...] Für diesen Kampf vorgebildet zu werden, ist die Aufgabe der nationalpolitischen Erziehung." [312] Wie groß die Bereitschaft der Schüler war, ihr eigenes Leben dem Nationalsozialismus zu opfern, zeigt ihre Reaktion auf den Tod der ersten fünf Butenplöner im 2. Weltkrieg: Neben der Trauer sprechen sie immer wieder von der "heiligen Bereitschaft, es ihren Kameraden gleichzutun, wenn es das Schicksal von ihnen fordere". In dem letzten Brief eines ehemaligen NPEA-Schülers von der Front an seine Eltern heißt es: "Ich bin einen leichten Tod gestorben, denn ich weiß, daß ich für eine große und gerechte Sache gekämpft habe." [313]

Wie konnte den Jungmannen diese Einstellung vermittelt werden? Alle Erkenntnisse über die Erziehung auf der NPEA Plön reichen nicht aus, um diese Frage zu klären. Dennoch soll die Plöner Erziehungsmethoden hier in einigen Aspekten dargestellt werden.

Die Plöner Jungmannen scheinen emotional durch bestimmte "Kultformen" und auch Naturerlebnisse beeinflußt worden zu sein. Es fällt auf, daß die Jungmannen Feiern häufig nachts abhielten oder frühmorgens den Sonnenaufgang beobachteten. Ohne Zweifel war den Erziehern klar, daß ihre Ansprachen unter diesen Umständen eindrucksvoller wirkten; zusätzlich konnten ihre Aussagen aber auch leichter in das Unterbewußtsein der körperlich abgespannten und übermüdeten Schüler eingeprägt werden.

Dieser Ansatz ist durch die Aussagen der ehemaligen Napolaner nicht belegt und mag von den Erziehern gar nicht beabsichtigt gewesen sein. Allerdings


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[Abb. 25: "Hoheitszeichen" im Westflügel des Schlosses - Leitspruch der NPEA Plön]


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gibt u.a. folgender Bericht eines Schülers zu solcher Interpretation Anlaß: "5 Uhr Alarm. Der Major führt uns im Laufschritt aufs Feld. Er spricht von der erwachenden Natur und der aufgehenden Sonne, die wir vor uns sehen, als Symbol für den Wiederaufstieg des Reiches. Wir stehen schweigend noch halb im Traum. Wir sehen, aber denken nicht erst an das, was wir sehen, sondern alles geht gleich in uns hinein und bleibt! Als das Kommando 'Rechts-um' kommt, denke ich wieder daran, daß ja neben mir noch andere stehen. Ob sie das alle wohl auch so geträumt haben wie ich?" [314]

Gewisse kulthafte Elemente werden ansatzweise in der pseudoreligiösen Darstellung Hitlers, dem "Schwarzen Fenster" und auch in den Ritualen der Jugendweihe offensichtlich. Ein ehemaliger Jungmann beschreibt deutlichere Beispiele: Ein Erzieher "ließ SS-Leuchter mit Runen anfertigen zum Julfest, dann sollten die [Jungmannen seines Zuges] am Weihnachtsabend [...] die [Leuchter] anzünden. Der machte aus allem einen Mythos. Wir [führten] ja auch so 'ne Art Kult mit dem HJ-Messer. Das normale Fahrtenmesser ist ja zum Brotstreichen da [... dieses] wurde aber sauber gehalten, [...] nicht als Messer benutzt in der Regel, sondern das sollte schon zur Verteidigung der eigenen Ehre dienen. Da entwickelten wir so 'ne Art Kult. Das mußte [...] blank sein, wurde aber nicht öffentlich geputzt, sondern das tat jeder mehr für sich." [315] Die Folgen dieses Kults um Ehre und Seitengewehr konnten im Extremfall sogar zu dem beschriebenen Selbstmord eines Jungmanns führen, der sich als letzte Möglichkeit zur "Verteidigung seiner Ehre" mit dem Seitengewehr umbrachte.

Prägend für den ganzen Tagesablauf war eine ständige Leistungs- und Wettkampfsituation. Vieles mußte auf Kommando und so schnell wie möglich erledigt werden: "Ein Pfiff ertönt, alles ist in höchster Spannung. 'Tornister, Decke und Zeltbahn rollen'. [...] Ich suche erst meinen Partner und finde ihn nicht. Da suche ich mir einen anderen. Jetzt geht es los, und wir beide rollen und rollen, aber es will uns nicht gelingen. Endlich gelingt es uns, und wir beide sind fast die ersten, aber wir haben unser Kochgeschirr noch nicht fest. Wie der geölte Blitz sitzt das Kochgeschirr auf dem Tornister. Jetzt ist Kontrolle, und alles läuft gut ab." [316] Dieser Leistungsdruck führte in einigen Fällen zu einem starken Druck der Gruppe oder des Zuges gegenüber "Versagern". Das zeigte sich beispielsweise in den Erniedrigungen und Quälereien, wie sie bereits beschrieben sind. Die Kollektivstrafe von seiten der Erzieher mag dazu beigetragen haben; allerdings ist nicht sicher, wie oft diese angewendet wurde. [317]

Es wurde schon kurz dargestellt, daß die Jungmannen in geschlechtlichen Fragen zu einer angeblich besonders "reinen" Einstellung erzogen werden sollten: An der Napola waren Homosexualität und Selbstbefriedigung verboten; die Schüler badeten grundsätzlich nackt und sollten dazu erzogen werden, das andere Geschlecht zu verehren. Diese Grundsätze leiteten sie aus dem "reinen und sauberen Geschlechtsleben der heidnischen Vorväter" ab. Dreckige Witze über Mädchen oder Mütter - sogenannte Zoten - sollte kein Jungmann schweigend mit anhören oder gar erzählen. Im Schulungsvortrag zur Jugendweihe 1943 wurde das Verbot der


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Selbstbefriedigung so ausgedrückt: "Wer sich an seinem eigenen Körper vergreift, mißbraucht Kräfte, die zur Fortpflanzung bestimmt sind, wird ein schlapper, willensschwacher Kerl". [318] Daß in der Realität häufig eine andere Einstellung herrschte, wird geistig anspruchslos auf den Einfluß "des Juden" zurückgeführt, der hier wiederum als Sündenbock dienen mußte. Ein ehemaliger Schüler berichtet, wie man einem Jungmannen wegen Homosexualität zunächst das Seitengewehr abnahm und ihn dann von der Anstalt verwies. [319] Ähnliches beschreibt Klaus Natorp: Zwei Schüler waren von der Anstalt verwiesen worden, weil sie nachts zusammen im Bett erwischt wurden. Daraufhin mußte der Zug tagelang strafexerzieren; in Einzelgesprächen versuchten die Erzieher, ihre Jungmannen davon zu überzeugen, daß diese Neigungen "abartig" seien. [320]

Für die Familienplanung wurde den Jungmannen übrigens die Richtzahl von acht Kindern zugewiesen, weil man ja meinte, es handele sich um Schüler mit vererbbaren hervorragenden Fähigkeiten. Da der Zweite Weltkrieg allerdings viele von ihnen das Leben kostete, ermutigte der Anstaltsleiter sie 1944 dazu, sich noch vor ihrem "Heldentod fortzupflanzen": "Es sind 130 Butenplöner gefallen, demgegenüber stehen nur 32 Kinder aller Butenplöner. Wieviel wertvollstes Blut ist unwiederbringlich dem deutschen Volk verlorengegangen! [...] Niemand von euch ist daher zu jung, um sich ein echtes deutsches Mädel zu suchen, das würdig eures Blutes ist, und zu heiraten. [...] immer noch hat ein Wille Weg und Ziel gefunden." [321] Einmal mehr zeigt sich, daß der Einzelne und seine Menschlichkeit dem nationalsozialistischen Ziel, den "Rasse- und Volksbestand" zu sichern, untergeordnet werden sollten.

Es stellt sich natürlich auch die Frage, inwieweit die Erziehung an der NPEA Plön Kritik erlaubte, erwünschte und förderte oder zu willenlosem, blindem Gehorsam erzog. Ein ehemaliger Plöner Referendar antwortete darauf, man habe nach Ernst Krieck zu "intelligiblem Gehorsam" erzogen, also zur Einsicht, daß es "in gewissem Rahmen Gehorsam geben muß, aber mit Vernunft." [322] Auch nach Einschätzung von Heinrich Rieper hat die Plöner Napola nicht zum Kadavergehorsam erzogen. [323] Kritik war innerhalb bestimmter Grenzen offenbar erlaubt. Wo diese Grenzen genau lagen, wer sie festlegte und ob diese Grenzen überhaupt genau festgelegt wurden oder nicht vielmehr stillschweigend - je nach Nützlichkeit - aufgestellt wurden, darin liegen die Probleme dieser Erziehung. Die Kritik wird m. E. grundsätzlich in Frage gestellt, sobald ihr absolute, unüberwindbare Grenzen gesetzt werden.

Wer einen Befehl verweigerte, überschritt offenbar diese Grenzen. Ein ehemaliger Jungmann berichtet, wie ein sonstiger Musterschüler als Teil der Feuerwehrausbildung von einem zehn Meter hohen Turm in ein Sprungtuch springen sollte. Er verweigerte den Gehorsam und wurde aus der Anstalt entlassen. Eine weitere "Tabuzone" war Adolf Hitler; er durfte in keiner Weise kritisiert werden: "Kritik im unteren Bereich, selbst den Erziehern gegenüber, selbst Auswüchsen in Partei und Staat, immer ausgenommen der Führer [...], die hat es durchaus gegeben, die war [...] erlaubt. [...] Aber wie gesagt, Tabuzone war der Führer, auf den wir ja


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[Abb. 26: "Erziehung zur Härte"]

gewissermaßen programmiert wurden. [...] Im Laufe der Jahre wurde diese Ausrichtung auf den Führer [...] immer stärker." [324]

Wenn einige Jungmannen bei einem Erzieher drei Minuten in Achtung-Stellung unter der kalten Dusche stehen mußten, kann wohl von "Gehorsam mit Vernunft" keine Rede sein. Gleiches gilt für einen Fall, als die Jungmannen barfuß und nur mit Sporthose bekleidet durch den Schnee laufen mußten, vermeintlich um die an der Napola grassierende Mumps zu bekämpfen, der Erzieher allerdings in Schuhen, Mantel und Mütze nebenherlief. [325] Die Napola-Schüler waren ihren Erziehern aber keineswegs "willenlos ausgeliefert", sondern wehrten sich in einigen Fällen und spielten ihnen häufig auch Streiche. Einmal stahlen die Jungmannen ihren Erziehern beispielsweise die Kleidung und hängten sie auf einer langen Leine zwischen den Flügeln des Schlosses auf. Ein anderes Mal gingen sie gegen einen unbeliebten Erzieher sehr hart vor. Er wurde nachts in den Rittersaal geführt und dort von einem von Jungmannen gespielten Gericht sozusagen "moralisch zum Tode verurteilt". Dann wurde mit Platzpatronen auf den zitternden Erzieher geschossen. [326] Die Vermutung liegt nahe, daß dieser Erzieher mit seinem Verhalten solchen Psychoterror hervorgerufen hatte.

Der Anstaltsleiter Hermann Brunk äußerte sich angesichts einiger Briefe von ehemaligen Plöner Jungmannen, die im Reichsarbeitsdienst oder in der Wehrmacht von der Kritik ihrer dortigen Kollegen "beinahe in Verlegenheit gebracht" wurden, selbst zum Vorwurf der Zwangserziehung: "Und nun einige Gedanken zum oft erhobenen Vorwurf


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[Abb. 27: Geklaute Kleidung im Schloßhof - Streich der Plöner Jungmannen]

der einseitigen Erziehung zum Nationalsozialismus ohne eigenes Denken, zum Vorwurf der Zwangserziehung. Gewiß, vom liberalistischen Standpunkt aus muß unsere Erziehung eine Zwangsjacke bedeuten. Wir wollen den Jungmann ganz klar und eindeutig ausrichten, wir wollen den Typ des politischen Soldaten, den leidenschaftlichen Kämpfer für das Reich, den gläubigen Nationalsozialisten, den unbeirrbaren Gefolgsmann des Führers formen, und zwar so stark und so tiefgründig formen, daß der Jungmann und später der Mann auch in scheinbar aussichtsloser Lage unter den härtesten Belastungen in nationalsozialistischer Bereitschaft seinen Kampf bis zum letzten auskämpft und sein Leben lebt nach dem Wort: Du bist nichts, dein Volk ist alles." [327]

Die Tatsache, daß ein Absolvent der NPEA Plön zehn Monate, nachdem er die Anstalt zur Wehrmacht verlassen hatte, an der Plöner Erziehung Kritik übte und diese auch in einer Zeitschrift der Anstalt abgedruckt wurde, zeigt, daß trotz einer kompromißlosen Erziehung zum Nationalsozialismus über die Methoden gestritten werden konnte, wie dieses Ziel zu erreichen sei. Das Erziehungsziel kritisiert dieser Schüler nicht, sondern sieht als Ursache für die Fehlgänge häufig falsch verstandenen bzw. übertriebenen Idealismus. Seiner Einschätzung nach ist das Überlegenheitsgefühl der Plöner NPEA-Jungmannen gegenüber anderen Schülern unbegründet. Denn gemessen an den Offiziersanwärtern der Marine stünden sie nicht über dem Durchschnitt. Körperlich wie geistig seien die Napolaner zwar schneller, aber oberflächlicher. Als besonders oberflächlich und dogmatisch entlarvt sich seiner Meinung


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[Abb. 28: Begeisterte Schüler der Plöner NPEA]

nach die "Überlegenheit" bei weltanschaulichen Fragen: "Wir haben uns mit diesen Fragen beschäftigt, wenn auch krankhaft oberflächlich, und so sind diese unsere Anschauungen oft dogmatisch geworden, indem wir dazu neigen, mit wenigen Sätzen wichtigste und schwierigste Probleme abzutun. Manche Zuhörer geben sich, erschlagen von unserer Sicherheit, still zufrieden; andere machen uns kurz, aber schmerzhaft auf unsere Hohlheit und Oberflächlichkeit in diesen Dingen aufmerksam [...] - Daß wir hier jung vor große Probleme gestellt wurden, hatte einen großen Fehler, nämlich daß wir uns allzu leicht dem verlockenden Zauber einer so dogmatisch werdenden Erledigung dieser Fragen hingeben." [328]

Dieser Jungmann hat die Gefahren der Plöner Erziehung auch darin erkannt, daß ständiges Erleben und Handeln den Schülern gar keine Zeit ließ, Eindrücke zu verarbeiten, zu durchdenken und zu reflektieren: Wir "hatten aber vor den unmittelbar folgenden Eindrücken keine Zeit, die vorigen zu bearbeiten. Meistens blieb uns allein nur die äußerliche Form dann auch als Gehalt dieses Erlebnisses in Erinnerung haften. Es hat etwas Bestechendes, Verlockendes, jeden Tag zu erleben, eine von den tiefsten wichtigsten Fragen unseres völkischen Lebens in allen erdenklichen äußerlichen und innerlichen Erscheinungsformen kennenzulernen. Wir waren aber Jungen, die wohl bereit und offen dieser Welt von Eindrücken gegenüber standen und jederzeit zur wissenschaftlichen Vertiefung dieser Erlebnisse bereit gewesen wären, wenn nicht der neue Eindruck den alten meistens bis auf eine


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leere Form verwischt hätte. Die Zeit ist eben hier der unerbittliche Hemmschuh aller ernsten Vertiefung". [329]

Auch in einer Einschätzung eines anderen Schülers zeigt sich, daß die Plöner Napola zu nationalsozialistischem Handeln erzogen hat, das eigenständige Denken der Schüler aber stark begrenzte: "Das hat jeder von uns bereits gemerkt, daß es mit 20/25 Jahren nicht darauf ankommt, zu denken oder gar zu weit zu denken, sondern uns zu bewähren." [330]

weiter


Veröffentlicht in den Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte (Kiel) Heft 26 (November 1994) S. 3-100


  1. Einleitung
  2. Vorläuferanstalten
  3. Exkurs I: NS- Schulpolitik
  4. NPEA Plön: Leitung und Aufbau
  5. Exkurs II: NS-Erziehungskonzepte
  6. NPEA Plön: Schulpraxis
  7. Ende der NPEA Plön
  8. Anhang
  9. Quellen und Literatur
  10. Anmerkungen


Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 26

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