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Kay Dohnke: Dokumentarfilm zum Itzehoer Mahnmal

Auf den Tag genau 50 Jahre nach Einweihung des Itzehoer Mahnmals für die Opfer des Nationalsozialismus fand am 8. September 1996 im Rathaus der Stadt die erste öffentliche Vorführung des Dokumentarfilms "Das Mahnmal - erbaut, verdrängt, wiederentdeckt" statt, den Filmemacher Peter Hertling nach einer Idee und dem Drehbuch des Fernsehjournalisten Michael Legband für den NDR gedreht hat.

Der Film erzählt die ungewöhnliche Geschichte des ersten Mahnmales seiner Art in Schleswig-Holstein, das 1946 in Itzehoe auf Initiative des ein Jahr zuvor aus dem KZ entlassenen Filmproduzenten Gyula Trebitsch erbaut, Anfang des fünfziger Jahre aber in eine entlegene Ecke des Itzehoer Stadtparkes versetzt und erst zu Beginn der neunziger Jahre "wiederentdeckt" wurde. Dank der hartnäckigen Bemühungen Michael Legbands steht es heute wieder fast an seiner ursprünglichen Stelle.

Auf der Grundlage von historischem Filmmaterial, Bilddokumenten, Zeitzeugeninterviews und natürlich Realaufnahmen an verschiedenen Orten Norddeutschlands ist eine beachtliche Dokumentation gelungen, die nicht nur Itzehoe der NS-Geschichte zuordnet (hier wurden die erste NSDAP-Ortsgruppe und die erste NS-Tageszeitung Schleswig-Holsteins gegründet), sondern auch in einfachen Strichen die Kulmination des Nationalsozialismus im Zweiten Weltkrieg und besonders in der verbrecherischen Politik gegenüber Minderheiten und Oppositionellen darstellt.

Die politisch-historische Entwicklung wird dabei teilweise in der Lebensgeschichte Trebitschs widergespiegelt, dessen Leidensweg ihn als Zwangsarbeiter in die Kupferminen von Bor in Jugoslawien und als Häftling in die Konzentrationslager Sachsenhausen und Barth bei Rostock führte. Bei Kriegsende wurde er in der Außenstelle des KZs Neuengamme in Wöbbelin bei Ludwigslust von amerikanischen Truppen befreit und zur Erholung von den überstandenen unmenschlichen Strapazen ins Itzehoer Krankenhaus gebracht.

Bald nach seiner Genesung faßte Trebitsch den Entschluß, ein Zeichen für die unzähligen Opfer der Nazi-Herrschaft zu setzen. Zufällig traf er mit dem für seine Backsteinbauten bekannten Architekten Fritz Höger zusammen. Trebitsch schildert im Film die Gespräche mit dem vom Nationalsozialismus enttäuschten Höger, aus denen die Idee des Itzehoer Mahnmales resultierte. Es sollte die letzte Arbeit des Mannes werden, der einst zum Baumeister des Nationalsozialismus aufzusteigen gehofft hatte.

Neben dieser ungewöhnlichen Kooperation dokumentiert der Film auch die vielleicht nicht nur für Itzehoe typische Art des Gedenkens an die NS-Opfer. Schon zu Beginn der Fünfziger endete die Tradition jährlicher Gedenkfeiern am Mahnmal, das schließlich - vorrangig aus stadtplanerischen Gründen - in den ehemals nach Adolf Hitler benannten Stadtpark versetzt wurde.

Hertlings und Legbands Film überzeugt nicht zuletzt auch durch die gelungene Kombination historischen und aktuellen Bildmaterials. Außer Wochenschauauszügen über den Zweiten Weltkrieg sind auch Ausschnitte aus dem Film zum Itzehoer Stadtjubiläum von


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1938 mit zahlreichen Vorbeimärschen Uniformierter verarbeitet. Die amerikanischen Filmdokumente von der Befreiung des Lagers Wöbbelin sagen mehr als alle Worte; überhaupt verzichten die Autoren über weite Strecken des Films geschickt auf eigene Kommentare und greifen statt dessen auf literarische Texte zurück, die Christian Quadflieg 1994 auf einer Benefizveranstaltung für die Umsetzung des Mahnmals vorgetragen hatte. Auf diese Weise gewinnen die Bilder ihre stärkste Ausdruckskraft.

Mag in der historischen Beschreibung auch hier und da aus fachlicher Sicht etwas zu pointiert formuliert worden sein (etwa - sinngemäß - daß 'die deutschen Truppen im Krieg den Weg nach Auschwitz freibombten'), und mögen zuweilen historische Bilder und Originaltöne etwas willkürlich aufeinandermontiert sein, tut das der Qualität der gesamten Arbeit doch keinen Abbruch. Der Film wurde am 18. September von N 3 ausgestrahlt; eine englische Fassung wird wahrscheinlich 1997 auf einem Dokumentarfilmfestival in Israel gezeigt werden.

Peter Hertling / Michael Legband:
Das Mahnmal - erbaut, verdrängt, wiederentdeckt. Dokumentarfilm 1996, 43 Minuten. (eine Kopie kann als VHS-Cassette beim Akens ausgeliehen werden).

Buchtip: Michael Legband, Das Mahnmal - erbaut, verdängt, wiederentdeckt. Itzehoe: Verlag Peter Gerbers 1994. 139 S.


Veröffentlicht in den Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte (Kiel) Heft 30 (Dezember 1996) S. 64-65.


Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 30

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